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Exaudi: Johannes 15,26-16,4
von Johannes Calvin
Johannes 15,26-16,4
26 Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir. 27 Und auch ihr werdet meine Zeugen sein, denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen.
V. 26. „Wenn aber der Tröster kommen wird ...“ Christus hat zunächst einmal die Apostel darauf hingewiesen, sie dürften das Evangelium nicht darum verachten, weil es sogar in der Kirche viele Feinde habe. Jetzt stellt er dem gottlosen Wüten dieser Feinde das Zeugnis des Geistes entgegen: darauf soll das Gewissen der Apostel sich stützen, um so niemals ins Wanken zu geraten. Er sagt mit anderen Worten: Zwar wird die Welt sich wie rasend gegen mich gebärden: die einen werden eure Lehre verspotten, die anderen sie verfluchen. Aber keine Erschütterung wird stark genug sein, euch in eurem Glauben wankend zu machen, wenn euch erst der Heilige Geist gegeben ist, der euch durch sein Zeugnis stärken soll. Und wenn die ganze Welt lärmt und tobt, besteht unser einziger Schutz ohne Zweifel darin, daß durch den Heiligen Geist Gottes Wahrheit in unsere Herzen gesenkt ist und verächtlich auf alles herabschaut, was der Welt angehört. Denn wenn Gottes Wahrheit menschlichem Urteil unterstände, verlören wir hundertmal am Tag unsern Glauben. Es ist also genau darauf zu achten, wo wir inmitten so vieler Anfechtungen festen Stand gewinnen sollen: darin, daß wir nicht den Geist dieser Welt empfangen haben, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was Gott uns geschenkt hat (1. Kor. 2, 12). Dieser eine Zeuge zerschmettert, zersprengt und zerstört mit mächtiger Hand, was immer von dieser Welt hochgehalten wird, um Gottes Wahrheit zu verdunkeln oder zugrunde zu richten. Von den Menschen, die diesen Geist haben werden, ist nicht zu befürchten, daß sie über den Haß und die Verachtung der Welt in Verzweiflung geraten. Im Gegenteil: jeder einzelne von ihnen wird der ganzen Welt überlegen sein. Außerdem müssen wir uns davor hüten, auf Menschen zu sehen. Denn wenn der Glaube derart ziellos umherfährt, ja, schon wenn er nur erst das Heiligtum Gottes verlassen hat, verfällt er unausweichlich in klägliche Unsicherheit. Er wende sich also wieder dem verborgenen inneren Zeugnis des Geistes zu, das, wie die Gläubigen wissen, ihnen vom Himmel her gegeben ist. Daß aber der Geist von Christus zeugt, wird darum gesagt, weil er will, daß unser Glaube allein an Christus festen Halt findet und wir nirgends sonst auch nur den kleinsten Teil unseres Heils suchen. Er spricht wieder vom Tröster, damit wir im Vertrauen auf seinen Schutz uns niemals ängstigen. Denn Christus wollte durch dieses Wort unseren Glauben stärken und davor bewahren, irgendwelchen Anfechtungen zu erliegen. Im Sinnzusammenhang dieser Stelle liegt es auch begründet, daß er vom „Geist der Wahrheit“ spricht. Der unausgesprochene Gegensatz ist, daß ohne diesen Zeugen die Menschen bald hierhin, bald dorthin treiben, ohne irgendwo wirklich zur Ruhe zu kommen. Wo er aber redet, da macht er die Menschen frei von allem Zweifel und von jeder Furcht vor Täuschung. Daß er ihn vom Vater her senden werde, und alsdann wieder, daß er „vom Vater ausgehe“, sagt er, damit man dem Geiste größere Bedeutung beimesse. Denn gegen den kräftigen Spott, gegen die zahlreichen heftigen Angriffe würde das Zeugnis des Geistes uns keinen hinlänglichen Schutz bieten, wenn wir nicht davon überzeugt wären, er sei von Gott ausgegangen. Daher ist es Christus, der den Geist sendet, doch tut er es auf Grund seiner himmlischen Herrlichkeit. Der Geist ist darum keine menschliche Gabe, sondern das sichere Unterpfand der göttlichen Gnade. Daraus wird deutlich, wie abgeschmackt die Spitzfindigkeit der Griechen war, die ja diese Worte zum Vorwand dafür nahmen, zu leugnen, daß der Geist vom Sohn ausgehe. Denn wie es seine Art ist, spricht Christus hier deshalb vom Vater, um unsere Augen zum Anblick seiner Gottheit emporzuheben.
V. 27. „Und auch ihr werdet meine Zeugen sein ...“ Christus sagt, sie sollten das Zeugnis des Geistes nicht für sich behalten und nur sich selbst an ihm erfreuen, sondern durch ihre Vermittlung solle es sich weiter ausbreiten. Sie sollten nämlich Werkzeuge des Geistes sein, und er hat ja auch durch ihren Mund geredet. Wir sehen jetzt, wie sehr der Glaube aus dem Hören kommt und doch seine Gewißheit aus dem Geist erhält, der sein Siegel und Unterpfand ist. Wem die Verfinsterung des Menschengeistes nicht hinlänglich bekannt ist, der meint, der Glaube entstehe mit Naturnotwendigkeit aus der Predigt allein. Dagegen ist den meisten Schwärmern die Predigt verächtlich: sie prahlen mit geheimen Offenbarungen und Verzückungen. Christus aber sehen wir beides miteinander verbinden. Zwar kommt es nicht zum Glauben, bevor nicht Gottes Geist unsern Sinn erleuchtet und unserem Herzen sein Siegel aufprägt. Trotzdem darf man nicht danach streben, daß einem aus den Wolken heraus Erscheinungen oder Weissagungen zuteil werden. Vielmehr soll das Wort, das uns nahe, das in unserem Munde und in unserem Herzen ist, über alle unsere Sinne vollkommen Herr sein (5. Mose 30, 14; Röm. 10, 8), wie Jesaja 59, 21 trefflich sagt: Das ist mein Bund, spricht der Herr, mein Geist, den ich auf dich gelegt, und meine Worte, die ich in deinen Mund gegeben habe, werden nicht vergehen usw. Die Worte „ihr seid von Anfang bei mir gewesen“ sind angefügt, um uns wissen zu lassen: die Apostel verdienten besonders viel Glauben. Sie waren ja Zeugen, die mit eigenen Augen gesehen hatten, was sie verkündeten. So sagt Johannes (1. Joh. 1, 1): Was wir gehört und gesehen, was unsere Hände betastet haben ... Auf jede Weise wollte Gott für uns sorgen: der Beweis für die Wahrheit des Evangeliums sollte unumstößlich sein.
1 Solches habe ich zu euch geredet, damit ihr nicht Ärgernis nehmt. 2 Sie werden euch in den Bann tun. Ja, es kommt die Stunde, daß, wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst damit. 3 Solches werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen. 4 Aber solches habe ich zu euch geredet, damit, wenn die Stunde kommen wird, ihr daran gedenkt, daß ich`s euch gesagt habe.
V. 1. „Solches habe ich zu euch geredet...“ Noch einmal sagt Jesus, keines seiner Worte sei überflüssig. Denn da sie Kampf und Streit zu erwarten hätten, müßten sie schon vorher mit den richtigen Waffen ausgerüstet sein. Außerdem erklärt er, sie wären zum Widerstände fähig, wenn sie diese Lehre wohl erwogen hätten. Doch wollen wir bedenken: auch uns gilt, was er damals zu den Aposteln sprach. Als erstes ist festzuhalten: Christus schickt die Seinen nicht ohne Waffen in den Kampf, und wenn in diesem Streit jemand den Mut sinken läßt, so ist seine eigene Trägheit daran schuld. Man darf aber nicht warten, bis es soweit ist, sondern muß sich alle Mühe geben, mit diesen Worten Christi ganz vertraut zu werden und so den Kampf aufnehmen zu können, wenn es soweit ist. Solange wir diese Worte Christi im Herzen tragen, dürfen wir an unserem Sieg nicht zweifeln. Mit den Worten: „damit ihr nicht Ärgernis nehmt“, sagt er, es bestehe keinerlei Gefahr, daß irgend etwas uns vom rechten Wege abbringen könne. Aber hier sieht man, wie wenige diese Lehre richtig aufnehmen. Die meisten glauben, sie im Gedächtnis zu haben, solange keine Gefahr droht. Wird es aber ernst, so versagen sie, als sei diese Lehre ihnen gänzlich unbekannt. So wollen denn wir diese Waffen anlegen, damit sie uns nie fehlen.
V. 2. „Sie werden euch in den Bann tun ...“ Es war kein geringes Ärgernis und mußte die Jünger sehr beunruhigen, daß sie wie Verbrecher ausgeschlossen werden sollten aus der Gemeinschaft der Frommen - oder wenigstens derer, die sich damit brüsteten, sie seien das Volk Gottes, und sich mit dem Ehrennamen „Gemeinde" schmückten. Nicht nur Verfolgungen, auch Schimpf und Schande sind die Gläubigen preisgegeben, wie Paulus (1. Kor. 4, 11) sagt. Trotzdem befiehlt Christus, auch diesem Spott gegenüber festzubleiben. Werden sie auch aus den Synagogen ausgeschlossen, so bleiben sie doch im Reiche Gottes. Wir dürfen uns also nicht von den verkehrten Urteilen der Menschen erschüttern lassen; tapfer sollen wir die Schande des Kreuzes Christi auf uns nehmen und uns damit begnügen, daß unsere Sache, die die Menschen zu Unrecht und fälschlich verurteilen, Gott wohlgefällig ist. Noch einen weiteren Schluß ziehen wir hieraus: die Diener des Evangeliums werden nicht nur von den erklärten Feinden des Glaubens schlecht behandelt; mitunter erleiden sie auch von denen größte Schmach, die Glieder, ja Säulen der Kirche zu sein scheinen. Schriftgelehrte und Priester, von denen die Apostel verurteilt wurden, rühmten sich, von Gott zu Richtern der Kirche eingesetzt zu sein. Und ohne Zweifel lag die ordnungsgemäße Leitung der Kirche in ihrer Hand, stammte das Richteramt von Gott, nicht von Menschen. Aber mit ihrer Gewaltherrschaft hatten sie die von Gott eingesetzte Ordnung verdorben. So kam es, daß die ihnen zum Zwecke der Erbauung überlassene Macht zu nichts anderem diente als zur maßlosen Unterdrückung der Knechte Gottes; daß die Ausstoßung, die ein Mittel zur Reinigung der Gemeinde hatte sein sollen, im Gegenteil dazu diente, die Frömmigkeit aus ihr zu vertreiben. Weil die Apostel das schon zu ihrer Zeit erfahren haben, besteht für uns heute kein Grund, die Bannflüche des Papstes besonders zu fürchten, die er um des Zeugnisses für das Evangelium willen gegen uns schleudert. Es steht nämlich nicht zu befürchten, daß sie uns mehr schaden als jene alten den Aposteln. Vielmehr muß unser sehnlichster Wunsch sein, der Gemeinschaft nicht anzugehören, aus der Christus verbannt ist. Allerdings wollen wir festhalten, daß dieser krasse Mißbrauch der Ausschließung nicht die Abschaffung dieser Einrichtung zur Folge hatte, mit der Gott seine Kirche von Anfang an ausgestattet hat. Denn der Satan verwendet zwar seine ganze Kraft darauf, jede Stiftung Gottes zu verfälschen; trotzdem darf man ihm nicht etwa zugestehen, es werde etwas, das Gott für immer festgesetzt hat, wegen seiner Verderbnis beseitigt. Darum muß die Ausstoßung ebenso wie die Taufe und das Herrenmahl von ihren Verfälschungen befreit und in ihrer reinen und rechtmäßigen Form wiederhergestellt werden.
„Ja, es kommt die Stunde ...“ Jetzt spricht Christus von einem weiteren Ärgernis: voller Anmaßung fühlen die Feinde des Evangeliums sich im Recht und glauben, Gott heilige Opfer darzubringen, wenn sie die Gläubigen töten. Es ist schon hart genug, wenn Unschuldige grausam gequält werden. Viel bitterer ist es aber, wenn Unrecht, das Gottlose den Kindern Gottes zufügen, als gerechte Strafe gilt, die ihren Vergehen angemessen sein soll. Doch muß unser reines Gewissen uns so viel Schutz bieten, daß wir eine zeitweilige Bedrängnis geduldig ertragen, bis vom Himmel her Christus als Rächer unserer und seiner Sache erscheint. Merkwürdig ist, daß die Feinde der Wahrheit zwar ein schlechtes Gewissen haben, aber trotzdem den Menschen nicht nur etwas vormachen, sondern auch von Gott für ihr ungerechtfertigtes Wüten Ruhm beanspruchen. Ich antworte: Die Heuchler bieten stets schmeichelhafte Scheingründe auf, mit denen sie sich über ihre Schuld hinwegtäuschen, mag ihr Gewissen sie auch noch so unwiderlegbar überführen. Sie sind ehrgeizig, grausam und hochmütig. Aber alle diese Fehler verbergen sie unter dem Deckmantel des Eifers, um ihrer Willkür ungestraft freien Lauf lassen zu können. Dazu gesellt sich noch eine Art trunkene Raserei, wenn sie erst einmal Märtyrerblut getrunken haben.
V. 3. „Und solches werden sie darum tun ...“ Nicht ohne Ursache weist Christus die Apostel wiederholt darauf hin, daß die Ungläubigen nur aus einem einzigen Grunde gegen sie wüten: weil sie Gott nicht kennen. Dennoch sollen sie damit nicht entschuldigt werden, sondern die Apostel sollen ihre blinde Wut hochgemut verachten. Denn das Ansehen, das die Gottlosen genießen, und der Glanz, der von ihnen ausgeht, machen auf bescheidene und fromme Gemüter oft einen tiefen Eindruck. Dagegen befiehlt Christus den Seinen, sich mit heiligem Hochmut zu erheben und die Gegner zu verachten, deren Triebfedern nur Blindheit und Irrtum sind. Das ist unsere eherne Mauer: wenn wir fest davon überzeugt sind, Gott stehe auf unserer Seite, unsere Widersacher aber seien ohne alle Vernunft. Außerdem zeigen die Worte uns, welch ein schwerwiegendes Übel mangelnde Erkenntnis Gottes ist, die selbst Mörder noch Ruhm und Beifall für ihre Verbrechen heischen läßt.
V. 4. „Aber solches habe ich zu euch geredet...“ Er wiederholt, was er schon gesagt hatte: seine Worte seien keine wesenlose Philosophie: sie müßten auf das wirkliche Leben angewandt werden; er rede jetzt darüber, damit sie durch ihr Verhalten zeigen könnten, sie seien nicht vergeblich von ihm belehrt. Mit den Worten: damit ihr daran gedenket gebietet er ihnen erst einmal, das Gehörte sich unauslöschlich einzuprägen, dann im Notfall sich daran zu erinnern. Schließlich weist er auf die Bedeutung der Tatsache hin, daß er Weissagungen über künftige Geschehnisse vortrage.
„Habe ich euch von Anfang nicht gesagt ...“ Da die Apostel noch ohne Kraft und Widerstandsfähigkeit waren, solange Christus im Fleisch bei ihnen weilte, schonte er sie als der beste und nachsichtigste Meister und ließ sie nicht über ihre Kräfte bedrängen. Deshalb hatten sie in jener Zeit Ermutigung nicht besonders nötig, weil ihnen ein ruhiges, von Verfolgungen freies Dasein gewährt wurde. Jetzt erklärt er ihnen, ihre Lage müsse sich ändern, und da ein neues Los sie erwartet, fordert er sie gleichzeitig auf, sich zum Kampf bereit zu machen.
Aus: Otto Weber, Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Vierzehnter Band: Das Johannes-Evangelium, Neukirchener Verlag, 1964, S. 385ff.
Foto: Paul Englefield, „Bill“, CC-Lizenz (BY 2.0), www.piqs.de